Grazer Damen-Bicycle-Club (gegründet 1893)

Elise Steininger, Vincenza Wenderich, Louise Sorg, Mitzi Albl, Louise Albl (v. l. n. r) Abb. in: Beiblatt der Radfahrchronik zum „Radfahrhumor“, Nr. 16, 1893, S. 539, Steiermärkische Landesbibliothek

DER FREIHEIT ENTGEGEN RADELN

Ist das Radfahren aus dem heutigen Alltag kaum mehr wegzudenken, galt es Ende des 19. Jahrhunderts noch als exzentrisches Vergnügen. Bei Männern als sinnfreier Zeitvertreib höherer Schichten betrachtet, schien es fast undenkbar, dass Frauen auf ein Rad steigen würden. Zweifel über ihre körperliche Konstitution und Ausdauer gingen einher mit der gängigen Überzeugung, dass sie besser bei Heim und Herd bleiben sollten statt sich im öffentlichen Raum – und noch dazu auf einem Fahrrad – frei zu bewegen. Auch fürchtete man, dass ein von der Anstrengung erhitztes Aussehen und flatternde Röcke der weiblichen Anmut zuwiderliefen. Dies änderte sich langsam mit dem Damen-Bicycle-Club, der 1893 in Graz gegründet wurde.

Zentrale Figur des hiesigen weiblichen Radsports war Elisabeth Steininger (geb. Rauch), die über ihren Gatten Carl Anton Steininger, Gründungsmitglied der Grazer Tourenfahrer, dazu kam. Im Alter von 37 Jahren lernte sie 1891 Radfahren und war fortan begeistert. Im Zuge einer „fröhlichen Radfahrt von Bruck nach Graz“ im Herbst 1892 schmiedete sie gemeinsam mit der gebürtigen Dalmatinerin Vincenza Wenderich den Plan, einen eigenen Radfahrverein für Frauen zu gründen: Die Idee für den Grazer Damen-Bicycle-Club war geboren. Offiziell gegründet wurde der Verein am 16. Februar 1893, doch fand ein erster öffentlicher Auftritt seiner späteren Gründerinnen bereits am 7. Dezember 1892 statt. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens des von gutbürgerlichen Mitgliedern geprägten Grazer Bicycle Clubs vollführten Steininger und Wenderich zusammen mit Louise Sorg sowie Mitzi und Louise Albl einen Radreigen, bei dem auch dieses Foto entstand.

Besonderen Anklang fanden die vom Damen-Bicycle-Club organisierten Wanderfahrten, im Zuge derer man sich in die Grazer Umgebung begab. Daneben unternahmen die Radlerinnen auch Corsofahrten, mit denen sie um Sympathien für ihr Hobby warben und im Zuge dessen auch mehr Bewegungsraum für Frauen eroberten.

Das Bicycle hat zur Emanzipation von Frauen aus den höheren Gesellschaftsschichten mehr beigetragen als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammengenommen.  (Rosa Mayreder, 1905)

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