Oktavia Aigner-Rollett (1877–1959)

Oktavia Aigner-Rollett bei Institutsarbeiten während ihrer Studienzeit in Graz 1905. Fotografie auf Metall (Bildausschnitt), Steiermärkisches Landesarchiv, Inv.-Nr. A-Aigner Reinhold K10 H108ÄRZTIN GEGEN ALLE WIDERSTÄNDE

Noch vor 100 Jahren herrschte das Vorurteil, Frauen hätten nicht die geistige Kapazität, zu studieren geschweige denn einen akademischen Beruf auszuüben. Diesem Vorurteil trotzte Oktavia Rollett mit Willenskraft und Intellekt. Nach Abschluss des Mädchenlyzeums sowie der Lehrerinnenbildungsanstalt in Graz maturierte sie 1900 als erste Grazerin am Akademischen Gymnasium als Externistin. Im gleichen Jahr wurden Frauen in Österreich zum Studium der Medizin zugelassen.

Gegen den anfänglichen Widerstand ihres Vaters, der Physiologe und Universitätsprofessor Alexander Rollett, nahm Oktavia im Wintersemester 1900 / 1901 an der Grazer Karl-Franzens-Universität das Medizinstudium auf, das sie 1905 mit Auszeichnung abschloss. Somit war sie die zweite Medizinerin, die in Graz, kurz nach Maria Schuhmeister, promovierte. Ein weiterer Doktortitel in den Fächern Philosophie und Chemie scheiterte während der Dissertation am Widerstand der Professoren. 1906 war Rollett als erste Ärztin am Allgemeinen Krankenhaus in Graz (Paulustor) als unbezahlte Hilfsärztin tätig. Da ihr dort eine bezahlte Anstellung verweigert wurde, wechselte sie ins privat geführte Anna-Kinderspital, wo sie als erste Sekundarärztin Österreichs arbeitete. 1907 eröffnete sie ihre eigene Praxis in der Humboldtstraße 17, die vor allem von Frauen sehr geschätzt wurde. Bis 1915 blieb sie die einzige praktische Ärztin in Graz. Während des Ersten Weltkriegs behandelte sie mittellose Patientinnen und Patienten kostenlos.

1908 heiratete Oktavia Rollett den Arzt Walter Aigner, mit dem sie drei Söhne hatte. Auch während ihrer Ehe blieb sie nicht nur in ihrer Praxis, sondern auch als Lehrerin, Schulärztin und Anstaltsärztin sowie ehrenamtlich in verschiedenen Frauenvereinen tätig, u.a. als Ehrenpräsidentin der „International Confederation of Business and Professional Women“. 1935 wurde ihr der Titel Medizinalrat verliehen. 1955 erhielt sie als erste Frau die „Goldene Promotion“, die für hervorragende berufliche Leistungen an Absolvent/-innen der Universität Graz verliehen wird, die vor 50 Jahren ihr Doktoratsstudium abgeschlossen haben.

Eine gescheite Frau ist ein Dorn im Auge vieler dummer Männer.

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